Man wächst mit seinen Aufgaben
In den ersten 25-30 Jahren war Wachstum aufregend: höher, schneller, weiter. Doch mit Mitte 30 fühlt sich „Wachstum“ oft anders an. Statt größer zu werden, jonglieren wir mehr: Beruf, Familie, Partnerschaft, Pflege sozialer Kontakte, Selbstfürsorge – und dabei bloß keinen Ball fallen lassen. Ich habe mir Gedanken gemacht, ob wir in dieser Lebensphase wirklich noch „wachsen“ und das Sprichwort “Man wächst mit seinen Aufgaben” uneingeschränkt gilt oder ob in dieser Phase nicht eine andere Zuschreibung richtiger wäre.
Aber wohin? In welche Dimension? Für Kinder mag sich das Sprichwort noch im wahrsten Sinne des Wortes erklären lassen, wo sie doch unweigerlich in die Höhe schießen. Aber so mit Mitte 30? Wohin wächst man da noch? Oder wachsen nicht vielmehr nur die Aufgaben um einen herum?
Zumindest scheint es mir so, als dass ich gerade lediglich lerne, mehr Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten: Beruf, Partnerschaft, Familie, Pflege sozialer Beziehungen, private Projekte, gesundheitliche Selbstfürsorge, Haus, Garten, etc. Wachstum ist nicht unbedingt die Größe, die mir in den Sinn kommt, um darüber zu philosophieren. Jedes Thema kriegt genau die Aufmerksamkeit, die es gerade braucht, jeder Ball genau den Impuls, den es braucht, damit er nicht herunterfällt, aber selten mehr.
Der Alltag ist nicht mehr auf Wachstum, sondern auf Erhaltung ausgerichtet. Man wächst nicht, man strukturiert; man delegiert, priorisiert, reagiert, improvisiert. Wachstum, so wie es das Sprichwort meint, ist in dieser Lebensphase selten spektakulär. Vielleicht ist es nicht das persönliche Wachstum, das in dieser Lebensphase im Vordergrund steht, sondern das Wachstum des Systems, das man um sich herum aufrechterhält. Und dieses System verlangt weniger nach Größe als nach Stabilität. Es geht weniger darum, höher hinauszuwollen, sondern darum, die Balance nicht zu verlieren. Es geht weniger darum, noch mehr Aufgaben unterzubringen, sondern darum, die richtigen – und sich dabei selbst nicht aus dem Blick zu verlieren.
Und siehe da - bei genauerem Hinsehen wächst es doch allerorten. Während im Garten die Erdbeeren reifen, fällt und wächst der Kontostand in einem illustren Wechselbad. Die Zahl der abgeschlossenen Projekte auf Arbeit wächst ebenso wie der Bücherstapel auf dem Nachttisch (wenn auch leider ungelesen). Die Kinder wachsen sowieso unentwegt aus ihren Klamotten heraus und die Zahl der mit dem Fahrradanhänger geschrubbten Kilometer geht ebenso täglich nach oben. Irgendwie ist man bis jetzt auch genug mit seinen Aufgaben gewachsen, um auch Mal einen Moment innezuhalten und die Früchte des Wachstums zu betrachten und zu genießen.
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