Noch ein Jubiläum

Vor zwei Wochen erst haben wir unseren 10. Firmengeburtstag gefeiert, doch auch ein weiteres Firmenereignis jährt sich im September. Im September 2022 nämlich nahm Robert – seinerseits Unternehmensgründer und zu dem Zeitpunkt alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer – Andreas und mich in die Gesellschafterriege auf. Einerseits Machtabgabe, andererseits auch ganz klare Mitarbeiterbindung. Doch wie kam es eigentlich dazu?

Die Anfangsjahre

Der Gedanke, Mitarbeiter enger ans Unternehmen zu binden, trieb Robert schon lange um und etwa drei Jahre lang schien das Konzept der virtuellen Anteile die verlockende Lösung zu sein, um ausgewählte Mitarbeiter enger ans Unternehmen zu binden und sie andererseits finanziell am Prosperieren teilhaben zu lassen. Doch irgendwie zog sich dieser Prozess; es war kein drängendes Thema und die Kundenprojekte wichtiger. Der Ergebnisdruck war niedrig und die Zyklen entsprechend groß. Letztlich regelte es die Zeit: Corona zwang uns dazu, uns als Firma neu aufzustellen und gemeinsam einen neuen Weg durch diese aufreibende Zeit zu finden. Doch auch wenn wir remote arbeiteten, brachte uns diese Zeit noch enger zusammen. Wir arbeiteten gemeinsam auf das eine Ziel hin, die Firma wieder in ruhige Fahrwasser zu bringen; waren bereit, Verantwortung und eben auch unliebsame Aufgaben zu übernehmen.

Neue Entschlüsse

Und irgendwann in den Irrungen und Wirrungen dieser Zeit reifte offenbar in Robert die Idee, Andreas und mich nicht nur mit virtuellen Anteilen zu beteiligen, sondern uns auch auf dem Papier als vollwertige Partner – Gesellschafter – aufzunehmen. Und genau das finde ich nach wie vor bemerkenswert: Die Abgabe von Unternehmensanteilen bedeutet zugleich die Abgabe von Entscheidungsmacht; ist ein riesiger und kaum reversibler Schritt; geht weit aus der Komfortzone heraus und mit der Bereitschaft zu einer Reihe von Eingeständnissen einher:

  • Ihr könnt es mindestens genauso gut, wie ich.
  • Ihr bringt Fähigkeiten ein, die meine ergänzen.
  • Ich kann akzeptieren, mit meiner Meinung auch mal in der Minderheit zu sein.
  • Ich teile den (wirtschaftlichen) Erfolg.
  • Ich möchte die Zukunft gemeinsam mit euch entscheiden – heute und jeden Tag danach.
  • Ich bin mir in meiner Entscheidung absolut sicher. Für das Wohl der Firma und mein eigenes.

Auch wenn Andreas und ich bis dahin schon Verantwortung übernommen hatten – nun Gesellschafter zu werden, versetzte uns sehr offiziell in eine neue Position. Eine Position, die wir nicht eingefordert hatten, nun aber notariell beurkundet innehatten. Dieselbe Verantwortung hätten wir wohl auch mit virtuellen Anteilen weitergetragen oder mit geringeren Firmenanteilen – dass sich Robert aber dazu entschied, uns alle drei mit jeweils gleichen Firmenanteilen zu versehen, liegt für mich nicht in einer etwaigen Fairness begründet, sondern schlicht und einfach in einem Akt der Großzügigkeit, wofür ich Robert nach wie vor sehr dankbar bin. Denn ich glaube nicht, dass es mir an seiner Stelle leicht gefallen wäre, dies ebenso zu tun.

Und wie läuft’s?

Die Frage: “Ob und was die letzten drei Jahre anders gelaufen wäre?”, lässt sich nur mit der Glaskugel beantworten. Doch sicher lässt sich festhalten, dass die Beteiligung zu gleichen Teilen vieles einfacher gemacht hat und für ein ausgewogenes Miteinander in Diskussionen und bei Entscheidungsfindungen sorgt. Die Umstellung war zudem insofern nicht gewaltig, als dass wir schon vorher wichtige Themen gemeinsam diskutiert hatten und Aufgaben der Unternehmensführung und -steuerung bereits vorab auf unsere Schultern verteilt hatten. Anders geworden ist die Entscheidungsfindung: Denn auch wenn wir vorher zusammen diskutierten, traf Robert Entscheidungen am Ende allein, nun müssen wir alle eine persönliche Entscheidung treffen und gemeinsam zu einer Gesamtentscheidung kommen.

Was hat sich bewährt?

Wenn alle gleichberechtigt mitmischen dürfen, dürfen sie gleichberechtigt mitmischen. Das ist nicht immer effizient und kann dazu führen, dass alle den Karren in eine andere Richtung ziehen wollen oder es im Gegenzug zur Verantwortungsdiffusion kommt und gar niemand mehr am Karren zieht. Ein paar Dinge haben sich für uns bewährt, damit wir alle erfolgreich gemeinsam in die gleiche Richtung ziehen:

  • Aufgabenbereiche festlegen: Wir haben klar die Hüte für CEO, CTO und COO vergeben.
  • Regelmeetings: Längere und kürzere, manche häufiger, manche seltener, manche für administrative und andere für strategische Themen, aber immer mit Fokus und Agenda.
  • Entscheidungen dokumentieren: Klar benennen können, wann und worauf man sich bei bestimmten Themen festgelegt hat, um nachträgliches Infragestellen, ob und welche Entscheidung es gab, zu verhindern.
  • Stimmungsabgleich: Statt nur das Rationale zu diskutieren, befragen wir uns aktiv nach dem Befinden, um Stimmungsänderungen oder Bauchschmerzen frühzeitig erkennen und einfangen zu können.
  • Feedbackrunden: Regelmäßig in Zweierkonstellation für Feedback zueinander und der Firma allgemein. Wir wollen immer besser werden – als Firma, aber auch als Individuen.
  • Teambuilding: Regelmäßig und außerhalb des Arbeitsalltags zusammenkommen, andere Umgebung, häufig mit Familien.
  • Sperrminorität: Wir müssen nicht jede Entscheidung hinnehmen, bei der 2 gegen 1 abgestimmt wurde. Jeder hat das Recht zum Veto und setzt es verantwortungsbewusst ein.
  • Zeit schaffen: Uns gegenseitig ermutigen, Zeit für interne Themen zu schaffen statt dem Projektgeschäft hinterherzurennen.

Am Ende lässt sich festhalten: Gleichberechtigte Verantwortung ist für uns kein Risiko, sondern eine große Chance. Sie zwingt uns, Entscheidungen bewusster zu treffen, bringt mehr Perspektiven an den Tisch und macht uns widerstandsfähiger. Sie hilft uns dabei, das Unternehmen weiterzuentwickeln und auf organisatorischer Ebene professioneller zu werden, Strukturen zu schaffen anstatt ad hoc zu handeln oder nur auf äußere Einflüsse zu reagieren. Das funktioniert vor allem aus dem Grund gut, dass kein dominantes Ego nach vorn drängt, sondern Unternehmensführung als Mannschaftssport wahrgenommen und gelebt wird. Auf Gesellschafterebene setzen wir den Rahmen, den wir gemeinsam mit allen Mitarbeitenden ausfüllen, um mit esveo weiter wachsen und erfolgreich sein zu können.